Anonymus Ziegeleiarbeiter

Ich habe im April 1960 in der Tongrube beim Runden Bült in Suddendorf angefangen und danach alle Stationen bis auf die Steinebrennung durchgemacht. Zuerst in der Tongrube. Da war ich Baggerfahrer, später dann Lokführer. Danach habe ich in der Ziegelei selbst in verschiedenen Bereichen gearbeitet.

Beim Runden Bült in Suddendorf waren und sind heute noch große Flächen aus Schieferton, der auch Eisenerz enthält. Er eignet sich hervorragend zur Herstellung von roten Klinkern. Vor meiner Zeit baute man in den Tongruben den Schieferton noch mit Schippe und Kreuzhacke ab und schaffte ihn mit Pferd und Lore zum Werk. Es war eine schweißtreibende und körperlich sehr schwere Arbeit. Später wurde der Schieferton gesprengt und dann per Hand auf die Loren geschaufelt. Ein Sprengbunker außerhalb der Ziegelei erinnerte noch lange Zeit an diese Methode. Der Bunker war massiv gebaut, mit einem 50 cm starken Mauerwerk und mit Panzertüren.

Dann wurde für die Beförderung des Schiefertons eine Lok mit 8 bis 10 Loren eingesetzt. Von diesen Zügen hatten wir zwei in Betrieb. Und ein Löffelbagger übernahm das Befüllen der Loren. Durch den Einsatz von Löffelbaggern konnte das Material auch besser gemischt werden. Ein Stein wird nämlich schon in der Tongrube gemacht. Wenn die Mischung nicht stimmte, dann konnte man machen was man wollte, man bekam keinen vernünftigen Stein. Also die Mischung für den Stein erfolgte schon in der Tongrube.

Die Spur der Steine

Der Erzähler dieser Geschichte möchte aus persönlichen Gründen seinen Namen nicht genannt wissen. Wir respektieren das natürlich.

Der blaue Schiefer taugt nichts

In den Tongruben am Runden Bült wurde etwa 7 bis 8 m hoch abgebaut, obwohl dort ein ca. 30 m hohes Schieferlehmgemisch vorhanden ist. Aber das Material in den tieferen Lagen taugte nicht für die Steinherstellung.

In den Lehm-Tongruben des Bentheimer Waldes besteht die erste 1,5 m dicke Schicht aus fettem Ton, dann geht es in ein Schiefergemisch von braun nach blau über. Man musste genau aufpassen, dass man nicht den blauen Schiefer mit verarbeitete, der in tieferen Schichten anzutreffen war. Diesen blauen Schiefer konnte man nicht zur Steinverarbeitung gebrauchen, weil der Stein beim Brennvorgang nicht in Form zu halten ist. Aus diesem Grunde ging auch der Betriebsleiter alle 2 – 3 Tage in die Grube, um zu kontrollieren, was abgebaut wurde. Jeden Abend fragte er auch die Arbeiter, wie sich das Material im Betrieb verhält. Das war wichtig, um eine vernünftige Qualität zu bekommen.

Bei den Arbeiten in der Tongrube haben wir auch immer wieder Fossilien, Muscheln und Donnerkeile gefunden. Sie zeigten uns, dass hier vor 15 Millionen Jahren einmal ein Meer gewesen ist. Die Fossilien und Muscheln waren vor allem bei Holländern sehr begehrt. Die haben uns diese immer gerne abgenommen. Wir haben die nicht verschenkt, sondern manchmal ganz schön geschachert. Oft wechselten sie für nur 1 oder 2 Flaschen Schnaps den Besitzer. Später in den 1990er Jahren hat ein Professor von der Universität Bochum zusammen mit Geologen aus Frankreich und England einige Sandsteinwände in den Gruben untersucht. Er soll dabei viele interessante Entdeckungen gemacht haben. Gerade an der Nordseite, wo der Sandstein stärker anzutreffen ist, hatten sie wohl viel gefunden.

Fossilien für eine Flasche Schnaps

Mächtig Lärm für guten Ton

Der Loren-Zug fuhr mit dem Schiefer-Lehmgemisch aus der Grube ins Werk zu einem Schuppen. Dort war in der Erde ein Beschicker eingebaut, in den das Schiefer-Lehmgemisch aus den Loren gekippt wurde. Dosieren konnte man die benötigte Menge mit Hilfe einer Exzenterscheibe. Eine Haspelwelle warf das Material anschließend auf ein Stahlschuppenband, mit dem es zum Kollergang befördert wurde. Dort wurde es gewässert und bis auf eine Größe von 3-4 mm gewalzt. Der Kollergang stand oben im Gebälk. Und das rumpelte ganz schön laut.

Unter den zwei übereinanderliegenden Walzwerken stand noch ein Maukmischer. Vom Maukmischer wurde das Material zur Presse dosiert, um eine gleichmäßige Schubgeschwindigkeit zu erreichen. Eine Dampfmaschine trieb über riesige Transmissionsriemen die Kollergang-Walzwerke und den Maukmischer an. Die Presse und der Doppelwellenmischer hatten eigene Motoren.

Oftmals musste, je nach Materialbeschaffenheit, dem Schiefer-Lehmgemisch auch weißer Sand zugemischt werden. Dies war erforderlich, weil teilweise zu fettes Material angeliefert wurde und die Steine dann glashart wurden. Das war nicht erwünscht, da die Maurer diese Steine später nicht schnell genug verarbeiten konnten.

Nach dem Walzvorgang ging es zur Presse. Dort wurden die Steine in Rohlinge der einzelnen Formate geschnitten. Zu meiner Zeit hatten wir einen Abschneider von der Firma Keller-Laggenbeck, wir nannten ihn den „Hackepeter“. Der schnitt jedoch immer nur einen Stein ab. Die Steine wurden in zwei Formaten produziert: im sogenannten Dünnformat (DF 5,2 x 24 x 11 cm/HTB) oder im Reichsformat (RF 6,5 x 24 x 12 cm). Bald ging man dazu über, Lochsteine zu produzieren. Diese Steine sollten besser isolieren, brauchten weniger Material, trockneten schnell und der Brennvorgang dauerte nicht so lange. Der Lochanteil lag etwa bei 14 Prozent, mehr konnte man nicht machen, weil der Stein sich dann nicht mehr verarbeiten ließ. Der Klinker fing dann an zu „schwimmen“.

In den 1960 er Jahren kosteten 1.000 Steine der ersten Sorte um die 110 DM. Ein bunter Klinker so um die 150 DM.

Wir nannten ihn Hackepeter

Beim Elevator ging es hoch her

Die Einstellung der einzelnen Formate machte ein Schlosser. Der Latteneinleger konnte das nicht, weil es kompliziert war. Außerdem mussten die Maße genau stimmen. Der Latteneinleger, so nannte man den Arbeiter an der Presse, hatte nur dafür zu sorgen, dass die Steine ordentlich auf die Holzlatten kamen. Dann ging es zum Elevator; eine Art Lift, in dem man die Steine in Reihen bis zu 12 Etagen lagerte.

Der Abschieber hatte die Aufgabe, dass die nassen, roh geschnittenen Steine ordentlich auf die Trockenlatten abgelegt wurden. Vom Elevator wurden die rohen Steine vom Sammelgerüst übernommen, um sie dann mit den Absetzwagen in die Trockenkammern zu schieben. Der Trocknungsvorgang erfolgte unter Dampfeinwirkung und dauerte ungefähr 3 Tage. In den Trockenkammern war eine Hitze von bis zu 100° C, um die vorhandene Feuchtigkeit verdampfen zu lassen.

Der Ausholer holte die angetrockneten Steine aus der Kammer und setzte sie in ein Sammelgerüst, von wo der Zuschieber sie dann zu den Setzern schob. Der Formling (luftgetrockneter Stein) war nun hart, jedoch noch nicht witterungsfest. Um einen gebrauchsfertigen, witterungsbeständigen Stein zu bekommen, musste er gebrannt werden. Dies geschah in einem Ringofen. Unter dem Ringofen war ein Kanal. Die „Brenner“ nannten ihn „Fuchs“, weil da die Luft zum Schornstein durchgezogen wurde. Je höher ein Schornstein war, umso besser war der Zug im Ofen.

Die Höhe von unserem Schornstein betrug 51 m. Zusätzlich war im Schornstein ein Ventilator eingebaut, so dass immer der gleiche Zug im Ofen herrschte. Vor dem Kanal lag die Brennkammer, die früher mit Kohle und später mit Gas beheizt wurde. Vom Kanal aus strömte dann die heiße Luft durch sogenannte „Züge“.

Um den Luftdurchfluss regulieren zu können, waren im Kanal noch so genannte „Glocken“ angebracht, die mit langen Spindeln je nach Bedarf geregelt werden konnten. Die Glocken sind Metallgussdeckel, mit denen man sektionsweise die Züge öffnen bzw. schließen konnte, um eine bessere Luftführung zu bekommen. Dadurch hatte man eine gute Kontrolle über die Temperatur im Ofen. Durch gezieltes Zugeben von Kohle wurde die Verbrennung und damit die Hitzezufuhr geregelt. Gebrannt wurde mit einer Endtemperatur von ca. 1.000° C. Die Brenner mussten damals schon ein gutes Auge und Gefühl haben, um die Steine langsam auf diese Temperatur zu bringen. Sie hatten dafür nämlich keine Hilfsmittel, sondern mussten die Temperatur mit den Augen abschätzen. Früher konnte ein gesamter Ofen-Rundgang 14 Tage dauern.

Nach Beendigung des Brennvorganges wurden die Steine ausgeschoben. Auch die Schlacke wurde ausgeräumt und auf eine Halde gekippt. In dieser Halde wühlten nach dem 2. Weltkrieg die Leute herum und suchten nach Kohle- und Koksresten, die nicht verbrannt waren. Man hatte in den Nachkriegsjahren ja nicht viel Brennmaterial. Unsere Kohle kam aus Ibbenbüren und wurde per LKW geholt. Das LKW-Unternehmen Behrens an der Ohner Straße hat fast alles für ABC-Klinker gefahren.

Fuchs und Glocken sorgen für heiße Luft

Dank Optix wurden die Steine besser

1960/61 kam mit dem Gas eine ganz neue Technik auf. Durch die verbesserte Brenntechnik erhöhte sich auch die Qualität der Steine. Mit dem Messgerät „Optix“ konnte man die Temperatur bis zu 1.200 ° C gut messen. Dies war ein unwahrscheinlicher Fortschritt. Der Brenner konnte mit „Optix“ besser steuern, dass die Hitzeentwicklung gleichmäßig verlief. Klappte das nicht, war der Betriebsleiter gleich auf 180 und es gab für den Brenner den „entsprechenden Segen“. Aber ab und zu entstand direkt am Eingang der Kammer ein sogenanntes Hitzenest mit Übertemperatur. Die Sortierer hatten es dann sehr schwer, weil die Steine zusammengeschmolzen waren. Die Kollegen, speziell die Ausschieber, spotteten dann über die Brenner, sie seien „Klamottenbrenner“.

Wenn die einzelnen Kammern wieder geöffnet waren, wurden die Steine gleich an Ort und Stelle in erste, zweite bis hin zur fünften Sorte sortiert. Die erste und zweite Sorte waren für den normalen Verbrauch bestimmt. Die vierte Sorte wurde teilweise für Hintermauern verwendet und die dritte und fünfte Sorte brauchte man für Schuppen oder Ställe. Der Rest wurde zum Beispiel bei der Wegbefestigung verwendet.

Die Arbeitsbedingungen waren streckenweise sehr hart. Man kann sagen, Anfang der Woche war es überall kalt und zum Wochenende saß man hinterm Feuer. Am schlimmsten hatten es die Sortierer, die die Steine aus dem Ofen herausholen mussten. Freitags gingen sie mit einem nassen Jutesack auf den Kopf in den Ofen hinein, weil die Umgebungstemperatur untern dem Ofengewölbe sehr hoch war. Der Ofen musste schnell ausgeräumt werden, länger als einen Tag durfte das nicht dauern. Man muss dafür wissen, eine Kammer war ca. 4 m lang und 2,8 m breit. Sie war mit fast 5.000 Steinen befüllt. Ein Sortierer musste 5.000 Steine in einer Tagschicht herausbringen. Man kann sich kaum vorstellen, wie hart ihre Arbeit war. Er bewegte dabei sicherlich 20 Tonnen und mehr. Auch hier wurde später die Arbeit ein wenig leichter, als man Böcke verwandte, die mit einer Elektroameise herausgeholt werden konnten.

Mit nassen Säcken in die Gluthitze

Gutes Geld für harte Arbeit

Freitags war Zahltag, es wurde ein Vorschuss oder der verbliebene Rest ausbezahlt. Diese Regelung wurde jedoch in den 1970er Jahren eingestellt. Weil die Arbeit im Klinkerwerk hart war, war der Verdienst verhältnismäßig hoch. Man verdiente so um die 800 bis 1.000 DM, das war viel zu der Zeit. Die Arbeiter, die mit der direkten Ofenbeschickung zu tun hatten, haben im Akkord gearbeitet. Auch darum haben die Setzer, Sortierer und Brenner richtig gutes Geld verdient. Etwa ein Fünftel des Personals waren Hilfsarbeiter, die im Stundenlohn beschäftigt waren. Deren Verdienst war natürlich geringer. Trotzdem haben alle gut verdient. Zum Vergleich, ein Industriearbeiter aus anderen Betrieben hatte zu der Zeit höchstens 250 DM.

Die Brenner bekamen teilweise noch mehr Lohn, weil sie ja auch am Samstag und am Sonntag auch arbeiten mussten. Sie hatten zwar eine 5-Tage-Woche im Schichtdienst von 8 Stunden. Über das Wochenende wurden aber 12 Stunden am Tag gemacht. Somit hatten die Brenner nur alle 3 Wochen mal ein freies Wochenende. Dafür gab es natürlich Extra-Geld. Aber die Belastung war enorm hoch. Deshalb gingen auch viele mit Ende 50/Anfang 60 frühzeitig in Rente.

Anders als beim Lohn gab es recht wenig Urlaub. Den jungen Leuten standen zu Anfang nur 10 Tage zu, dann 20 Tage. Und die, die über 25 Jahre alt waren, bekamen 24 Tage Jahresurlaub. Es gab auch noch eine Treueurlaubsstaffelung. Aber oft war es auch so, dass die Arbeiter Geld brauchten und sich 5 oder 10 Tage ausbezahlen ließen.

In den Monaten November und Dezember stand unser Betrieb still, weil einfach der Absatz nicht da war. Man hatte zu Beginn des Winters oft mehr als 4 Millionen Steine auf dem Platz, aber kaum Nachfrage. So gingen die Leute für 4 oder 6 Wochen stempeln. Aber in den nächsten Monaten wurden die Steine abgefahren wie noch nie. Vor allem, wenn es gefroren hatte. Wir lieferten die Steine ins Emsland und die Niedergrafschaft. Und oft in Gegenden, wo es keine festen Straßen gab. Der Ausbau der Straßen war ja noch nicht so fortgeschritten. Da kamen die LKW nur zu den Baustellen, wenn es stark gefroren hatte. So war der Lagerplatz dann zum 1. Mai fast wieder leer. Danach wurde alles, was aus dem Ofen raus kam, gleich ausgeliefert. Das blieb so bis nach den Sommerferien. Danach baute sich der Vorrat wieder auf.

Zur Ausbildung kann man sagen, dass die Leute für Spezialtätigkeiten wie z. B. Setzer, Sortierer oder Brenner angelernt wurden. Ausbildungsberufe, wie man es in anderen Branchen kennt, gab es bei uns nicht. Damals waren auf dem Arbeitsmarkt immer genug Leute für die Ziegeleitätigkeit zu bekommen, allein schon deshalb, weil der gute Verdienst lockte. Die Belegschaft bestand früher so um die 65 Personen. Heute sind es nur noch 20, die eine aber höhere Leistung erbringen.

Im Winter gingen wir stempeln

Sparverblender für Fertighäuser

Ende der 1960er Jahre gab es eine Sorten- und Farbexplosion. Auch die Oberflächenbehandlung nahm zu, wie Baumrindenmuster oder gekämmte Steine usw.. Was wurde da an den Maschinen rumgebastelt. Mit Klötzen, Nägeln und anderen Teilen. Wir haben sogar gelbe Klinker hergestellt. Dafür holte man sogar gelben Ton aus den Burgsteinfurter Raum nach Suddendorf. Auch die Größen und Formen veränderten sich. Sparverblender waren stark gefragt, weil Fertighäuser immer mehr aufkamen. So haben wir Anfang der 1960er Jahre einer Firma in Schleswig-Holstein alle 14 Tage ca. 5.000 Quadratmeter Sparverblender geliefert. Speziell dafür hatten wir eine Truppe von 4 bis 6 Mann, die auf abenteuerliche Weise die Sparverblender spalteten. Mit einem Presslufthammer, der irgendwie auf einem Tisch befestigt war.

Die Ziegelherstellung beruhte lange Zeit auf reiner Handarbeit und fast der gesamte Produktionsprozess erforderte viel menschliche Muskelkraft. Das hat uns ausgemacht und auch geprägt. 1965 erhielten wir einen Tunnelofen und 1971 eine Setzmaschine für die Rohlinge. Damit ging in unserem Ziegelwerk die Zeit der Automation so richtig los. Die Arbeit wurde dadurch natürlich leichter. Aber man brauchte auch immer weniger Arbeitskräfte, um die Ziegel herzustellen.

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