Beginnen möchte ich mit Heinrich Steggewentz in der Föhnstraße. Die Leute nannten ihn Steggeheinzchen. Sein Betrieb war gegenüber der Gastwirtschaft Lenzing, später Pus. Dann Johann Droste wie auch sein Sohn und Nachfolger Franz-Hermann in der Windstraße. Das Haus von seinem Betrieb gibt es nicht mehr. Am Markt war der Betrieb von Carl Hoffmann. In seinem Haus war später eine Reinigung drin. Arnold Selhorst hatte seinen Betrieb in der Steinstraße. In der Eschenstraße neben dem Schlachthaus von Pus arbeitete Heinrich Osterwyck. Am Bleichenwall war der Betrieb von Arnold Bruns. Das war wohl der größte Betrieb hier in Schüttorf. Er hatte viele Aufträge von den Fabriken oder von den Fabrikanten, während der Großteil der Malerbetriebe einfache Anstreicher waren, die sehr viel in den Bauernschaften gearbeitet haben. Die Bauern waren früher überhaupt die Hauptkunden der Maler. Ebenfalls am Bleichenwall gab es die Gebrüder Fühner, Johann Bruns war in der Schevestraße, Arnold Osterwyck am Bahndamm und Heinrich Fühner in der Emsbürener Straße. Eduard Borggreve, bekannt als „Spill-Geertke“, wohnte im Hessenweg gegenüber der ehemaligen Mittelschule. Dann war da noch Christian Lammering in der Salzberger Straße und meine Wenigkeit, ich habe doch den Betrieb von meinem Vater übernommen. Mit Fritz Heckmann und Gerhard Rademaker gab es zwei Maler in der Quendorfer Straße. Herbert Severloh war in der Lindenstraße ansässig wie auch Heinrich Kristen. Gerhard Bookholt wohnte in der Tibbenstraße. Dann gab es noch Dietrich Vernim und seinen Sohn Friedhelm.
Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen. Viele dieser Schüttorfer Malerbetriebe existieren schon lange nicht mehr. Einige Maler sind schon verstorben, andere haben ihren Betrieb aufgegeben, weil es sich nicht mehr rechnete. Der Konkurrenzkampf war schon sehr hart.
Ich weiß nicht, ob der eine oder andere noch sich entsinnen kann, in der Nähe des Quendorfer Sees gab es mal ein Barackenlager. Die dort aufgestellten Baracken mussten fertiggemacht werden. Das konnten die einzelnen kleinen Betriebe nicht alleine leisten. Aber die Schüttorfer Maler wollten sich diesen Auftrag auch nicht entgehen lassen. Da hat man sich zusammengetan und eine Arbeitsgemeinschaft gebildet. Die hatte hauptsächlich Arnold Bruns in den Händen. Und mich hatte er sozusagen zu seinem Adjutanten erkoren.
Die Arbeitsgemeinschaft ist kurz nach dem Krieg auch nach Lingen beordert worden, um die dortigen Kasernen zu verglasen. Das Glas wurde geliefert. Wir sind mit dem Auto nach Lingen gefahren worden und haben bei eisiger Kälte die alten Glasscheiben rausgebrochen und die neuen eingesetzt. Aber wie gesagt, die meisten Anstreicher und Maler waren kleine Krauter, die sehr viel arbeiten mussten, um über die Runden zu kommen.
Zu den größten Aufträgen, die wir mit der Arbeitsgemeinschaft abgearbeitet haben, zählten das Krankenhaus und die Schulen hier in Schüttorf. Und in den 1960er Jahren natürlich auch die ev. ref. Kirche. Zuerst wurde dort unter Arnold Bruns und dann unter meiner Leitung gearbeitet.
An der Restaurierung der Kirche war auch ein Herr Peters als ausgebildeter Kirchenmaler beteiligt. Das war ein echter Spezialist auf diesem Gebiet. Und ich, wenn ich das so sagen darf, war eigentlich immer recht wissbegierig. Ich habe ihm, wann immer es ging, bei der Arbeit zugeschaut. Wenn man etwas mit den Augen hätte stehlen können, bei ihm hätte ich das gerne gemacht. Seine Arbeit hat mich fasziniert, und ich wollte unbedingt etwas dazu lernen. Deshalb habe ich den Kirchenmaler öfter mal mittags zu uns zum Essen mitgenommen. Dabei ging es mir nicht um Daumen und Zeigefinger, es ging nur um Wissen und Können von so einem Kunstmaler.
Als ich 1937 in die Lehre kam, war ich 14 Jahre alt. Damals gab es noch keine Autos. Für Transporte hatten wir den Handwagen. Auf den haben wir die Leiter, die Pötte, die Eimer mit Farben usw. geladen. Wenn ich dann von uns aus zur Scheve musste, kam ich ja an der Mittelschule vorbei. Wenn die Schüler dann gerade Pause hatten, bin ich bei Schneider Bonke stehen geblieben und habe geheult. Da kommen mir heute noch die Tränen. Ich wäre gerne noch weiter zur Schule gegangen.
Ich lag so im Mittelfeld
Mit 16 Jahren machte ich die Gesellenprüfung. Da meinte mein Vater: „De Junge, de mott watt en bettken wat doan“. Also bin ich für zwei Semester nach Rheine in die Malerfachschule gegangen und zwei Semester zur Fachschule nach Osnabrück. Dort habe ich dann meine Meisterprüfung abgelegt- Anschließend bin ich wieder zu meinen Vater in den Betrieb gegangen. Trotz der großen Konkurrenz, die es damals gab, war mein Vater optimistisch: „Johann, dat wick dij seggen, wenn wij men flietig bint un de Löe guud bedeend, dann kumm wij wa verdaan“.
Zu meinem Vater, muss ich sagen, hatte ich ein recht gutes Verhältnis. Nur viel Freizeit gab es bei ihm auch nicht. Meine Arbeitszeit war von 7.00 bis 12.00 Uhr und von 13.30 bis 18.30 Uhr. Samstags haben wir bis 16.00 Uhr gearbeitet. Das waren schon 65 bis 70 Stunden, die da in der Woche zusammen kamen. Das war ja überall so. Und keiner hat sich darüber aufgeregt.
Wenn Weihnachten war, kam unser Geselle Banneke zu uns. Er saß mit uns Kindern in der Küche. Dann ging Papa zur Haustür und klingelte ein bisschen. Er tat so, als würde er sich mit dem Weihnachtsmann unterhalten. Anschließend bekamen wir unsere Geschenke. Auch unser Geselle Banneke ging nicht leer aus. Er erhielt 10 Mark vom Weihnachtsmann. Das war sein Weihnachtsgeld.
Viele Kinder – wenig Freizeit
Morgens wurde Buch geführt
Wenn ich morgens in die Werkstatt kam, habe ich als erstes das Werkstattbuch in die Hand genommen. Bei uns wurde jedes Pöttken Farbe, bevor es aus der Werkstatt ging und aufgeladen wurde, erst einmal gewogen. Wenn wir es dann zurück in die Werkstatt brachten, wurde es nochmal gewogen. Daraus haben wir den Nettoverbrauch errechnet und in das Buch eingetragen.
Unsere Arbeit war schon anstrengend, viel härter als heute. So mussten wir früher die alte Farbe mit einer Karbidlampe abbrennen. Wenn das Karbid leer war, wurde es ausgekippt und neues Karbid eingefüllt. Das war schon eine kräftezehrende Arbeit.
Bevor der Leim eingerührt werden konnte, musste erst die Kreide mit einem Schepper aus dem großen Kreidefass abgefüllt werden. Dann kam sie in einen Eimer mit Wasser. Anschließend wurde so lange umgerührt, bis sich die Kreide vollständig im Wasser gelöst hatte. Das ließ man bis zum nächsten Morgen stehen und setze erst dann den Leim zu. Leimfarbe zu machen war schon eine große Quälerei. Und die musste erledigt sein, bevor es an die eigentliche Arbeit ging. Das hieß, vor der normalen Arbeitszeit. Sonst wäre es ja Zeitvergeudung, meinte mein Vater.
Leimfarbe war eine Quälerei
Kommt der aus Sibirien?
Eines Tages kam Rektor Klünder aus Bentheim zur Visite in die Klasse. Lehrer Wiegmink zeigte auf meinen Vater und sagte: „Un denn kump ut Sibirien“. Mittags am Tisch fing mein Vater an zu weinen. Auf die Frage, was denn passiert sei, antwortete er: „De heff seggt, ick sei ut Sibirien“. „Well heff dat seggt?“ fragt Opa. „De Mester ut Benthem“. Wie es das Unglück nun wollte wurde der Wiegmink auch mein Klassenlehrer. Und deshalb, das ist mir später erst gesagt worden, wurde ich zur Mittelschule geschickt, um von dem Lehrer wegzukommen, mit dem damals mein Vater den Drangsal hatte. So war das.
Aber manchmal wollte die Leute doch etwas mehr. Für bunte Muster, wie zum Beispiel Blumen, hatten wir Schablonen. Davon gab es ganze Sätze. 3-, 4- oder 5-Schlag-Schablonen. Die hatten so Punkte, an denen man sich orientieren konnte, wann man die zweite Farbe ansetzen musste. Dafür gab es auch Vorlagen und Anleitungen, wie man das machen sollte. Man musste die Farben, die vorgegeben waren, entsprechend mischen und mit einem fast trockenen Pinsel auftragen, damit die Farbe nicht hinter die Schablone lief. Da musste man schon sorgfältig arbeiten. Aber Sorgfalt und Genauigkeit waren bei uns sowieso immer groß geschrieben. Genau wie Ehrlichkeit und Pünktlichkeit. Da gab es nichts dran zu rütteln. Wenn gesagt wurde, wir kommen um 7.00 Uhr, dann waren wir auch um 7.00 Uhr da. Das war früher so.
Tapeten für die besseren Leute
Malen nach Mustern
Meistens kamen die Tapeten am nächsten Tag als Expressgut mit der Bahn zum Bahnhof, wo wir sie dann abholten. Wir haben damals sogar ein kleines Ladengeschäft gebaut, in dem sich die Kunden die Tapeten anschauen konnten. Da hatten wir auch immer mehrere Rollen von den gängigsten Tapeten auf Lager. Aber das ist nicht so richtig gut gelaufen und hat kaum etwas abgeworfen. Nach 15 Jahren haben wir den Laden dann dicht gemacht. Dabei haben wir mehr als 10.000 DM in den Laden investiert, ihn sogar mehrfach umgebaut. Dieses Geld war weg, aber wir sind nicht dran kaputt gegangen. Das Ladengeschäft brachte nichts ein, nur zusätzliche Arbeit für meine Frau. Inzwischen sind die Ladengeschäfte dieser Art fast alle eingegangen.
Als ich 1982 den Laden geschlossen habe, haben wir begonnen Fußboden zu verlegen. Das war sehr lukrativ. Wenn ich darüber nachdenke – wir bekamen 20 % Rabatt auf Tapeten. Angenommen die Tapete kostete im Musterbuch 1,00 Mark pro Rolle und acht Rollen wurden für ein Zimmer gebraucht, dann verdienten wir an den Tapeten nur 1,60 DM. Bei den Fußböden haben wir viel besser verdient.
Ich muss gestehen. Ich habe eigentlich gerne gelernt. Das war nicht bei allen Lehrlingen so. Vor dem Krieg gab es an der Malerfachschule in Nordhorn auch Abendkurse. Ich fuhr mit zwei anderen Lehrlingen aus Schüttorf und Neerlage mit dem Fahrrad dorthin. Die Kurse gingen von 20.00 bis 22.00 Uhr. Meine Mitlehrlinge hatten aber wohl keine Lust zum Lernen. Als wir in Nordhorn am Bahnhof vorbei fuhren, stiegen sie einfach vom Rad und gingen in die Bahnhofskneipe, um Bier zu trinken und Karten zu spielen. Nach dem Kurs kam ich da vorbei und holte sie wieder ab.
Einen Tag krank in 30 Jahren
Keinen Tropfen auf der Baustelle
Firm im Masern
Mit dem großen Pinsel wurde Geld verdient
Maler und Anstreicher war ein Handwerk, das einem sehr viel abverlangte. Es war nicht unbedingt die körperlich härteste Arbeit. Aber man musste dafür sehr sorgfältig sein und immer saubere Arbeit abliefern. Das war schon hart verdientes Geld. Und bei uns wurde gutes Geld verdient. Wir haben immer Tariflohn bezahlt. Und es gab Urlaub und Urlaubsgeld. Alles war tariflich geregelt.
Zu Weihnachten habe ich dann ein bisschen mal nach oben aufgerundet, auch um ein bisschen gut Wetter zu machen. Ein Kollege rief mich mal an und fragte: „Wat dös du de Jungs dann to Wiehnachten“. Als ich ihm die Summe nannte, rief er: „Bis du verrückt? Bis du in de SPD oder of ich?“ Der hat nie wieder gefragt. Aber so sozial wie der damals war, war ich schon lange.
Ich möchte nicht vergessen zu sagen, dass im Handwerk die Ehefrau eine ausschlaggebende Rolle gespielt hat. Ich würde sogar soweit gehen, dass das Wohl und Wehe in starken Maße von der Ehefrau abhing, wie die mitmarschiert ist.
Ich konnte früher genau sagen, das ist der Kunde vom Meyer, vom Müller oder vom Schulze. Als wir nach dem Kriege Glasdeputate bekamen, haben wir uns bei Pus versammelt und das Glas verteilt. Da wurde Straße für Straße durchgegangen, wer wessen Kunde war. Die Konkurrenz wusste das ganz genau. Jeder Betrieb hatte seine Kunden. Aber diese Kundentreue musste man sich verdienen. Durch Pünktlichkeit, Sauberkeit, Fleiß, Ehrlichkeit und natürlich mit fairen Preisen. Da ging es nicht um Schnäppchen. Da zählte guter Lohn für gute Arbeit. Denn davon hatten ja beide was, der Kunde und auch der Anstreicher.
Kundentreue muss man sich verdienen
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