Arno Woltmann Friseurmeister

Auch das Friseurhandwerk hatte im Mittelalter eine Zunft. Die eine Gruppe nannte sich „Bader“. Inhaber der Baderstuben warben mit einem Metallbecken und zogen damit durch die Straßen. Hatte man einen Kunden geworben, hing man das Becken vor der Baderstube auf. Dieses Becken wurde später das Symbol des Friseurhandwerks. Früher konnte man noch sehen, dass sie so ein blankes Becken vor den Salons hatten. Die Gruppe der Barbiere scherte Haare, rasierte und frisierte die Menschen. Auch hatte sie die Befugnisse zum Ader lassen und Verbinden von Wunden. Sie durften auch Zähne ziehen oder behandeln. Das geschah oft durch Kräuterauflagen.

Ein ewiger Streit um die Vorherrschaft zwischen Bader und Barbiere endete mit einem Gerichtsbeschluss im Jahre 1779. Nun wurden beide Handwerksberufe zu einem Barbierberuf vereinigt.

Bader und Barbiere – die ersten Friseure

August Suchsland machte den Anfang

Der erste Herrenfriseur in Schüttorf war August Suchsland. Er wurde 1850 in Eisenach geboren, gestorben ist er 1941 in Schüttorf. Er kam damals als Handwerksgeselle nach Schüttorf und hat sich 1878 als Herrenfriseur in der Steinstraße selbständig gemacht. 1942 übernahm sein Sohn Heinrich das Geschäft. Er war in Dortmund ausgebombt. 1947 wurde ein Damensalon angegliedert. 1955 ging er in den Ruhestand und gab sein Geschäft auf. Dietrich Vernim kaufte das Haus, brach es ab und baute dort sein Tapetengeschäft.
Der zweite Herrenfriseur mit Zahnbehandlung in Schüttorf war Heinrich Sumbeck. Auch er kam als Handwerksgeselle nach Schüttorf. Er war wohl ein Bentheimer, der auf Wanderschaft nach Schüttorf kam und sich dort selbständig gemacht hatte. Am Markt 19 eröffnete er einen Herrensalon. Im Nebenraum zog und behandelte er Zähne.

In den 1930er Jahren kamen zwei ausgebildete Zahnärzte nach Schüttorf, Herr Hanstein und Herr Möhr. Herr Sumbeck gab seine Zahnpraxis auf und eröffnete in dem Raum einen Damensalon. Sein Geschäft konnte er seinem Sohn Dietrich übergeben, der aber auch schon verstorben ist. Er gab nach Erreichen der Altersgrenze das Friseurgeschäft auf und vermietete die Räumlichkeiten an ein Textilwarengeschäft.

Johann Venhaus, der Vater von Ferdi Venhaus, war Barbier und Friseur. Er hat bei Friseurmeister Heinrich Sumbeck gelernt. Sein Elternhaus stand an der Salzberger Straße, bei Sundags Heini gegenüber, später war das Bergjan. Hier wurde er am 31.05.1885 geboren. 1909 bis 1912 machte er eine Ausbildung zum Barbier und Friseur. Seine Wanderjahre erstreckten sich bis 1912. Die Geschäftseröffnung fand am 24.01.1919 im Hause Schlättker in der Jürgenstraße statt. Hier entstanden ein Herrensalon und eine Parfümerie. Die Parfümerie war die erste in Schüttorf überhaupt. 1933 verlegte er das Friseurgeschäft in das neugebaute Wohn- und Geschäftshaus in der Eschenstraße. Einen Damensalon eröffnete er im Jahre 1953. Dann übergab er seinem Sohn Ferdinand Venhaus das Geschäft. Er hatte bei seinem Vater gelernt und führte den Salon bis zu seinem Ableben mit 67 Jahren. Seine Frau starb vor ihm. Ihren frühen Tod konnte er nur sehr schwer verkraften.

Aus Nordhorn kamen Willy Stapperfend und seine Frau Wilma 1969 nach Schüttorf. Sie übernahmen den Salon Woltmann in der Salzberger Straße. Beide waren eine richtige Auffrischung für die hiesige Kollegenschaft. Fachlich, modisch orientiert hatten sie Erfolg in unserer Stadt. Sie wohnten in die Gartenhofstraße. Nach Erreichen der Altersgrenze gaben sie ihr Geschäft auf.

Im Nebenraum wurde auf den Zahn gefühlt

Meisterin der Ondulation

Mitte der 1920er Jahre kam die Damenfrisur nach Schüttorf. 1927 war Margarete Ruckdeschel die erste Friseurin in Schüttorf. Sie eröffnete im Singel 5 im Hause „Peters Stuten“ einen Damensalon. Hier wurden den Damen die Haare gewaschen, anschließend in Wellen gelegt und getrocknet. Besonders die Ondulation kam in Schüttorf in Mode. Die Ondulation wurde in Großstädten schon viel früher gemacht, aber bis so etwas in die kleinen Städte kam, dauerte es immer Jahre. Frau Ruckdeschel war wirklich eine Meisterin auf diesem Gebiet. 1957 zog sie in die Steinstraße in ein neu eingerichtetes Damenfriseurgeschäft. Nach Erreichen der Altersgrenze verkaufte sie ihren Salon an den Herrenmodefriseur Manfred Frosch.
Nun zu meinem Vater, Hermann Woltmann. Nach einer dreijährigen Lehrzeit bei Friseurmeister Heinrich Sumbeck ging er drei Jahre lang auf Wanderschaft. 1927/1928, kam er zurück und machte sich im Elternhaus in der Salzberger Straße 18 als Herrenfriseur selbständig. Einige Jahre später gliederte einen kleinen Damensalon an. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg kaufte er ein Grundstück gegenüber von seinem Elternhaus, baute dort einen Bungalow und richtete ihn mit einem modernen Damen- und Herrensalon ein. Später wurde das Wohnhaus aufgestockt. Nach seinem plötzlichen Tod 1968 kaufte Friseurmeister Willy Stapperfend den Salon und vermietete die Räumlichkeit.

Mein Vater war ein Wandersmann

Schwere Zeiten für kleine Friseure

Vielleicht könnt ihr euch noch an Lambert Höffmann erinnern. Er machte sich als Herrenfriseur in seinem Elternhaus in der Föhnstraße selbständig. Vorher hatte Hans Piepenpott ein Jahr drin gearbeitet. Es war damals für den kleinen Friseur eine schwere Zeit. Obwohl in großen Städten das Herrenfach brummte, brauchte es lange, bis es in der Kleinstadt ankam. Nur mit Nebeneinnahmen konnte man eine Familie ernähren. 1940 wurde Lambert Höffmann Soldat. Er kam 1947/1948 aus der Gefangenschaft zurück. In der Zeit arbeitete dort Friseur Trunska, ein ehemaliger Angestellter meines Vaters. Später hat er das Geschäft von Höffmann übernommen. 1954 zog Trunska in den süddeutschen Raum.

Hans Piepenpott übernahm den Salon von Lambert Höffmann für ein Jahr. Dann machte er sich im Hause Breukers selbständig. Aus dem kleinen Salon Höffmann wurde ein Wohnraum. Später kaufte das Fahrradhaus Kronemeyer das Anwesen. Hans Piepenpott baute sich ein sehr schönes Geschäft auf. Die Zeiten waren wirtschaftlich sehr günstig. Im Herrensalon arbeitete er, im Damensalon mit Kosmetikabteilung seine Frau Gerda mit gutem Personal. Als sie nach einem arbeitsreichen Leben in den Ruhestand gingen, verkauften sie ihren Salon.

Gustav Berger arbeitete zuerst im Damensalon Suchsland. Dann machte sich in der Föhnstraße im Hause Schlikker selbständig. Nach seinem plötzlichen Ableben übernahm Werner Wagner sein Geschäft.

Vielleicht erinnern sich noch einige an das kleine Friseurgeschäft an der Ohner Straße? Dort war der Salon von Karl Metzger. 1932 kam er als Wandergeselle nach Schüttorf. Er arbeitete zunächst beim Friseurmeister Hermann Woltmann. Mit Hilfe seines Arbeitgebers machte er sich in der Ohner Straße im Hause Albach selbständig. Auch er wurde im den Zweiten Weltkrieg zum Militär eingezogen. 1949 kam er aus der Gefangenschaft zurück und baute an der Ohner Straße rechtsseitig sein Wohnhaus. In der doppelten Garage eröffnete er dann seinen neuen Herrensalon. Bis ins hohe Alter konnte er seinen Beruf ausüben.

Haareschneiden in der Garage

Alles auf dem neuesten Stand

Martin Franke kam als Berufssoldat nach Schüttorf und übernahm bis zur Heimkehr von Karl Metzger dessen Geschäft. Dann zog er mit seinem ausgebildeten Sohn Manfred in die Steinstraße ins Haus Sellhorst. Hier entstand ein sehr schöner Damen- und Herrensalon. 1960 bauten Vater und Sohn ein Haus an der Salzberger Straße. Dort entstand dann der Salon Franke für Damen und Herren. Es war ein nach neuesten Gesichtspunkten eingerichteter Salon. Manfred Franke gab später seinen Damensalon auf. Dann kam auch das Ende für seinen Herrensalon, den er zum Schluss nur noch allein betrieb.

Friseurmeister Manfred Frosch erwarb den Salon von Frau Ruckdeschel in der Steinstraße. Nach einem Umbau entstand ein Herrensalon mit der wohl modernsten Einrichtung. Er arbeitet zusammen mit seiner Friseurin. Sie waren bekannt für ihre modischen Schnitte, immer aktuell. Zwar wechselte die Mode häufig, aber sie waren immer auf dem aktuellsten Stand.

Siegfried Dove erlernte das Friseurhandwerk bei Friseurmeister Johann Venhaus. Nach wechselnder Gesellenzeit hier in der Grafschaft zog es ihn nach Frankfurt/Main. Dort arbeitete er als Herrenfriseur in mehreren Geschäften. 1956 machte er sich in seiner Heimatstadt im Hause Brinkhoff an der Ohner Straße selbständig. Später kaufte er ein Grundstück am Hessenweg und baute 1966 dort sein Haus, wo er einen Herren- und Damensalon mit Parfümerie einrichtete. Als er in den Ruhestand ging, vermietet er seinen Salon an das Friseurteam B & B. Dieses Team wechselte nach geraumer Zeit den Geschäftsstandort und zog in neue Räumlichkeiten einige Häuser weiter. Siegfried und Ruth Dove verkauften ihr Haus und zogen dann in die Nordhorner Straße.

Ich lernte bei meinem Vater Hermann das Friseurhandwerk. Nach der Gesellenprüfung zog es mich bald in die Fremde, um auch von anderen Meistern zu lernen. Meine Meisterprüfung legte ich in Frankfurt ab. Dort arbeitete ich drei Jahre als Damen- und Herrenfriseur. Dann wechselte ich die Arbeitsstelle und verschrieb mich ganz dem Damensalon.

1958 führte mich ein privater Schicksalsschlag zurück nach Schüttorf. Hier machte ich mich im Singel 5 selbständig. 1960 heiratete ich Helga Lindemann und bezog mit ihr die Wohnung hinter dem Geschäft. Wir bauten nun gemeinsam das Geschäft auf. Das neue, modern eingerichtete Geschäft war Grundlage für ein Arbeitsleben bis zum Rentenalter. Dann verkauften wir das Geschäft und vermieteten die Räumlichkeiten an Frau Gohlisch. Sie blieb acht Jahre und wechselte dann den Geschäftsstandort. Sie zog in das Haus Assmann am Hafermarkt.

Haareschneiden bis zur Rente

Plattdeutsch und Freundlichkeit

Zum Schluss möchte ich noch meine Freundin hier anführen. Friseurmeisterin Heike Alferink. In den 1980er Jahren eröffnete der Filialist B. Elskamp eine Friseurfiliale in Schüttorf am Markt. Heike Alferink kaufte den Salon von Hans Piepenpott. Ihr freundliches Wesen und ihre plattdeutsche Sprache brachten ihr viele Freunde und Kunden ein. Ihr fachliches Können überzeugt ihr Kundschaft. Nach einigen Jahren Selbständigkeit kauften sie und ihr Mann ihrem Vermieter, Firma Breukers, das Haus ab. Nun war der Weg frei für eine Geschäftserweiterung. Viele Umbauten waren nötig, um den heutigen Salonstand zu erreichen. Gut ausgebildetes Personal trug dazu bei, dass der Salon als volkstümlich mit modischem Flair beliebt war. Hier galt: Erfolg kommt nicht Himmel gefallen. Da musst du was für tun.
In früheren Zeiten beschäftigte sich Friseur fast ausschließlich mit den Haaren und Bärten der Männer. Kaiser, Könige und Fürsten dienten oftmals Vorbild für Haar- und Barttracht. Die Kriegsjahre 1914/19 machten sich auch bei der Herrenfrisur bemerkbar: Kurzhaarschnitte, Bismarckscher Stehhaarschnitt, Kahlschnitt und Rasierschnitt waren angesagt. In den 1920er Jahren kam der Faconschnitt groß in Mode. Rückte man anfangs nur mit Kamm und Schere der Haar- und Barttracht zu Leibe, so wurde später mehr und mehr die schon 1880 erfundene Haarschneidemaschine eingesetzt.

Wenn um die Jahrhundertwende der Kahlschnitt mit längerem Barthaar und auch kleinere Kinnbärte in Mode waren, so kam danach der Bart ab. Der Schnurrbart blieb in vielen Formen, sonst war das Gesicht der Herren glatt und sauber rasiert. Bei der Rasur wurde die Hygiene groß geschrieben. Jeder Stammkunde hatte sein eigenes nummeriertes Töpfchen mit Pinsel und Serviette. Die Rasiermesser wurden mit Lysol gereinigt und desinfiziert.

Frisuren waren Männersache

Mit Kohlen zum Friseur

Diese Bartmode hielt bis zum Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsausbruch kam wieder der Soldatenschnitt, ein sportlicher Haarschnitt, gut und einfach zu pflegen. Viele Friseure und deren Angestellte wurden eingezogen. Wer Glück hatte, überlebte den Krieg und konnte wieder in seinem alten Beruf tätig werden. Durch den Wiederaufbau wurden dafür auch gute Voraussetzungen geschaffen. Pflege und gutes Aussehen waren wieder gefragt. Aber das Geld hatte keinen Wert, Gebrauchsartikel waren kaum zu bekommen. Der Kunde wurde sogar gebeten, zum Beheizen der Geschäftsräume Kohle mitzubringen. Rasierseife war knapp, Lysol und andere Produkte kaum erhältlich. Aber es ging trotzdem aufwärts.
1948 kam die Währungsreform. Plötzlich war alles wieder zu haben. Ein gewaltiger Aufschwung in der Wirtschaft, so auch im Friseurhandwerk. Dieser Trend hielt bis in die 1970er Jahre. Die Industrie sorgte für neue Arbeitsmethoden und für chemische Erneuerungen. Wer in dieser Zeit sein Schäfchen ins Trockene brachte, hatte gut vorgesorgt für magere Jahre. Denn die mageren Jahre kamen, vor allem im Herrensalon.

Die Männer trugen auf einmal wieder lange Mähnen. Der Friseur wurde angewiesen, nur „die Spitzen“ abzuschneiden. Und man ging auch viel seltener zum Friseur. Selbst der reifere Kunde wurde von der Langhaarwelle angesteckt. Auch die Rasur boomte nicht mehr. Der moderne Mann rasierte sich selber. Zu Hause, nass und vor allem mit dem Elektrorasierer. Die Folge: Der Herrensalon wurde kleiner, der Damensalon um so größer.

In den 1990er Jahren kam dann die elektrische Haarschneidemaschine mit Gebrauchsanleitung für einen Haarschnitt auf den Markt. Nun sah man in fast ganz Europa viele Männer mit Maschinenkurzhaarschnitten. Gottlob haben die Menschen ganz verschiedene Kopfformen. So ging, wer sich mit seinem Haar wirklich verschönern wollte, bald wieder zum Friseur. Ob junger oder reifer Mann, mit einem schönen Haarschnitt und gut gekleidet kommt man immer an. Ich bin mir auch sicher, dass es auch in Zukunft so sein wird. Der Arbeitsplatz wird niemandem nachgeworfen. Man muss sich schon selbst darum bemühen. Auch hier gilt: Ein gepflegtes Aussehen und gut anerzogenes Auftreten ist bei einem Einstellungsgespräch immer nützlich. Nach dem Motto „Wie du kommst gegangen, so wirst du empfangen“.

Lange Haare – magere Zeiten

Die dritte Welle kam übers Ohr

So viel zu den Herren. Bei den Damen lief die Entwicklung etwas anders. Mit der Industrialisierung wurden zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. Die Menschen verdienten und hatten auch Geld für Privatbelange über. Die Bürger wollten vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts gepflegt aussehen.

Besonders die Damenwelt verlangte nach schönen Frisuren. Der Damensalon sorgte dafür. Die Ondulation wurde Mode, auch Wasserwellen in gewaschenem Haar. Fixativ in Wellen gelegt, dann getrocknet, somit eine haltbare Frisur. Schöne Knotenfrisuren, hochgestecktes onduliertes Haar, auch die Damenfrisuren machten ihren Weg. Dann kam der Bubikopf. Das Langhaar wurde gekürzt und in Wellen gelegt, wobei die dritte Welle übers Ohr kam. Wunderbar und wunderschön anzusehen.

Im Jahre 1906 erfand Karl Nessler die Dauerwelle. Sie wurde zuerst nur an Haarteilen angewendet. Später, als er in Amerika lebte, entwickelte er die Dauerwelle weiter, dass sie auch am lebenden Haar zum Einsatz kommen konnte.

Ab 1914 wurde die Dauerwelle in Europa in den Geschäften praktiziert. Zuerst handelte es sich um eine Spiralwicklung noch oben hin. Ein Flachwickler kam zum Einsatz, so wie wir es heute machen. Der Erfinder war ein deutscher Friseur Josef Meyer aus Karlsbad Er hat ihn 1924 als Patent angemeldet. Nun ging es schnell voran. Die Industrie witterte ein Geschäft. Ein mit beheizbaren Klammern versehener Apparat wurde zur Grundausstattung im Friseurgeschäft, dazu die Gummiklammern und Laschen. Dauerwellenwasser musste hergestellt werden, die Industrie nahm diese Aufgabe gerne an. Eine Friseurrevolution war eingeleitet, die haltbare Frisur erstellt.

Ein Friseur aus der Schweiz, Kramer sein Name, brachte den Lockenwickler auf den Markt. Das dauergewellte Haar wurde mit Stielen, Lockenwicklern aufgedreht. Nach der Trocknung konnte das Haar in Wellen und Locken ausgebürstet werden. Lockenfrisuren verschönten nun die Köpfe der Frauen. Und eine solche Verschönerung wollte nun jede Frau haben. Das Friseurhandwerk erlebte einen Boom. Viele Arbeitsplätze in den Salons wurden erschaffen. Jungen und Mädchen erlernten den schönen Beruf. Die Industrie entwickelte nun auch Oxidationshaarfarben und Tönungen. Angegraute Köpfe konnten nun auch in schöne Farbnuancen glänzen. Keine wollte ein graues Täubchen bleiben.

Mit Locken locken

Stylisten haben sehr gute Chancen

Nach langer Zeit waren aber Locken bei den Frauen auch nicht mehr so angesagt. Die Frisuren wurden immer ruhiger gestaltet. Anfang der 1990er Jahr ging es langsam aber sicher auf glatte Haare zu. Der Haarschnitt wurde wieder in. Strähnchen verschönten nun die Naturhaare. Hier galt es, gut ausgebildet, vielseitig und ein Könner in Schnitt und Form zu sein. Doch die Industrie warf nun Haarverschönerungsmittel auf den Markt für die „Do-it-yourself-Welle“. Ein arger Rückschlag für den Friseurberuf. Der Personalbestand musste verringert werden. Friseurinnen, die ohne Arbeitsplatz waren, boten ihr Können in Nachbarschaften, bei Verwandten oder Freundinnen an, die von diesen Angeboten gern und oft Gebrauch machten. Auch damit hatten viele Friseure zu kämpfen. Viele Inhaber, die keinen familiären Nachwuchs hatten, schlossen nach Erreichen der Altersgrenze ihr Geschäft. Nur die Geschäfte mit jungen dynamischen Inhabern, die sich zeitig dem neuen Friseurtrend angepasst haben, blieben im Geschäft. Das waren Stylisten mit Ideen und großem Können. Sie haben wohl auch in Zukunft noch sehr gute Chancen im Damen- und Herrenfriseurberuf.

In der Zeit der Kurzhaarfrisuren werden Perücken mit Haarersatzteilen seltener verwandt. Nur bei Krankheiten, Unfällen und anderen Ereignissen braucht der Mensch Haarersatzteile. Diese werden dann meistens von Spezialwerkstätten erstellt. Trotzdem ist der Friseurberuf eng mit der Perückenmacherzunft verbunden. Bei einer Gesellen- und Meisterprüfung wird immer eine selbst hergestellte Perücke oder ein Haarteil verlangt. Die Bewertung dieser Arbeit ist jedoch nicht vorrangig. Die Kenntnisse zur Herstellung werden in Berufsschulen gelehrt – sicher auch, um die Kunst nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Jetzt habe ich soviel über die Geschichte der Friseure erzählt und bin das eine oder andere Mal auch ins Schwärmen geraten. Da kommt das folgende Geständnis für viele wohl überraschend: „Ich wollte gar kein Friseur werden.“ Das lag mir gar nicht im Sinn.

Schon als Kind, so mit 10, 12 Jahren, musste ich meinem Vater immer helfen. Zum Beispiel den Männern den Bart einseifen, damit mein Vater rasieren konnte. Das darf man sich aber nicht so einfach vorstellen. Denn damals gab es ein Kaumittel, was man gerne nahm, den Priem. Und wenn so ein älterer Herr priemte, war es nicht von der Hand zu weisen, dass ihm auch so ein klein bisschen abhanden kam. Und bis ich meinen weißen Seifenschaum wieder weiß hatte, vergingen auch schon einige Sekunden. Vorher war der oft ein bisschen bräunlich.

Als ich 13 Jahre alt war, wurde mein Vater zum Militär eingezogen. Er hinterließ mir eine Haarschneidemaschine. Ich konnte schon so ein bisschen Haareschneiden, denn ab und zu musste ich die Haare vorschneiden. Jedenfalls habe ich als kleiner Junge mit 13 Jahren in der Nachbarschaft die Haare geschnitten. Die Jungs kamen in den Schuppen „up’n Hackepoal“ und „satten de doar“ im Dunkeln, während ich ihnen die Haare geschnitten habe. Mit 14 Jahren rasierte ich jeden Samstag drei alten Herren ihren Acht-Tage-Bart. Wenn man sich heute fragt, wie hat er das Messer scharf bekommen, dann muss ich sagen, dass weiß ich selber nicht. Aber jedenfalls, ich habe es geschafft.

Friseur war eigentlich garnicht mein Ding

Hermann und das gelbe Messer

Dann war der Krieg beendet und meine Tante Anna, die meine Pflegemutter ist, weil meine Mutter ganz früh gestorben ist, sagte mir, dass ich zu Johann Vennhaus in die Lehre gehen sollte. Aber der wollte mir keinen Lehrbrief geben. Warum, weiß ich heute auch nicht mehr. Der alte Vennhaus war ja furchtbar asthmakrank. Der brauchte so ein Pusteding, damit er ein bisschen Luft bekam. Als ich da anfing, musste ich am ersten Tag bei den Kindern die Haare schneiden. Das ging noch alles gut. Dann kam ein Schüttorfer Ureinwohner zu uns: Hermann Keutz. Hermann war ein netter Kerl. Er wollte die Haare geschnitten haben und eine Rasur. Johann Vennhaus sagt: „Doa man, ik kum foart weär.“ Ich fing an, Hermann die Haare zu schneiden. War keine Schwierigkeit, konnte ich ja. Dann habe ich ihn eingeseift, aber er schüttelte immer den Kopf. Ich dachte: „Verdammt noch mal, du rasierst die alten Herren bei dir, dann kannst du auch Hermann Keutz rasieren.“ Ich schnappe mir also das gelbe Messer und hab ihn rasiert. Nachdem er bezahlt hat, kam Johann Vennhaus und fragte: „Wo ist Hermann?“ Ich sage, dass er fertig sei und bereits gegangen war. „Und welches Messer hast Du benutzt?“ Ich sagte: „Das gelbe“. „Das war doch das stumpfe Messer.“

Wie gesagt, eigentlich wollte ich lieber Tischler werden. Aber am liebsten wäre ich Modellbauer geworden. Deshalb zog es mich auch immer wieder zum Flugplatz nach Rheine. Aber als der Krieg zu Ende war, hat man mich überredet, den Friseurberuf zu erlernen. So wurde ich Friseur.

Mein Vater war ein ganz strenger Meister, aber die jungen Lehrlinge haben bei ihm sehr viel gelernt. Er legte sehr, sehr großen Wert auf Hygiene, Sauberkeit und Ordnung. Das ist auch mir in Fleisch und Blut übergegangen. Wenn ein Kunde Platz nimmt, muss er einen sauberen Platz bekommen.

Mein Vater hat sich große Mühe gegeben, aus mir einen guten Herren- und Damenfriseur zu machen. Damensalon lag mir erst gar nicht so, aber als Herrenfriseur hatte ich ja bei meinen jungen Freunden schon reichlich Erfahrung gesammelt. Denen habe ich gerne die Haare geschnitten, und die wollten sich am liebsten nur von mir bedienen lassen. Das hat meinen Vater manchmal geärgert, wenn sie sagten: „Wij hebben noch wall effkes Tied, loat ouns moal effkes wochten, Arno is ja ok foart fertig.“ Das hat ihn gewurmt, dass die jungen Leute alle zu mir wollten.

Die Damen lagen mir nicht so

Putzen statt Tanzen

Die Gesellenprüfung habe ich nach zweieinhalb Jahren gemacht, weil ich ja auch schon ein halbes Jahr bei Vennhaus war. Das hat alles schön geklappt. Nur eines hat mich immer ein kleines bisschen geärgert. Als Lehrling musste ich entweder samstags abends oder montags nachmittags das Geschäft sauber machen. Montags hatte ich Schule und Samstags abends war unser Geschäft bis sechs Uhr geöffnet. Das waren lange Wochen. Und es kam auch vor, dass wir am Sonntagmorgens noch sechs bis sieben Männer rasieren mussten. Manchmal kam es sogar vor, dass ich erst Samstagabends um halb Acht anfangen konnte, das Geschäft sauber zu machen. Und wenn Hermann Scharten um 22.30 Uhr auf dem Rückweg von der Nahkampfdiele Dierkers an der Salzberger Straße bei uns vorbei kam, war ich noch am Putzen.

Montags hatte ich Berufsschule. Da hieß es früh aufstehen. Gegen 6.00 Uhr morgens bin ich losgegangen zum Quendorfer Bahnhof, denn um 7.00 Uhr fuhr von dort mein Zug nach Nordhorn. Wenn ich um 16.00 Uhr wie zu Hause war, musste ich manchmal noch das Geschäft sauber machen, wenn ich es Samstag nicht geschafft oder keine Lust hatte. Dann hatte mein Arbeitstag schon mal 14 Stunden. Darüber habe ich mich nicht immer gefreut. Aber früher war das so. Die Lehrlinge mussten saubermachen. Und weil ich der einzige Lehrling war, blieb das immer an mir hängen. Unsere drei Gehilfen haben das nie gemacht. Das habe ich später, als ich selbständig war, abgeschafft. Jeder hatte seinen Arbeitsplatz , seinen Wagen und sein Handwerkszeug selbst zu reinigen

Zu meines Vaters Zeiten war es noch üblich, dass Friseure weiße Kittel trugen, die regelmäßig ausgekocht wurden, um sie auch zu desinfizieren. Ich bekam damals drei neue Kittel, alle sauber und ordentlich. Mit einem schmutzigen Kittel durfte man nicht arbeiten. Mein Vater sagte immer: „Wenn Du mit schmutzigen Kitteln arbeitest, weißt Du nie, was dann passieren kann. Denn manchmal machst Du beim Rasieren doch einen kleinen Tick oder so. Dein Kittel muss immer sauber und desinfiziert sein“. Das leuchtete mir ein.

Mein Vater hatte auch keine Rasur gemacht, bevor er nicht das Messer mit Lysol gereinigt hatte. Erst dann fing er an zu rasieren. Auf meine Frage, warum er das so machte, antwortete er mir: „Junge, wenn du einmal gesehen hast, wie eine Bartflechte aussieht, dann machst du das immer mit Lysol“.

Kittel war für mich Pflicht

Kein Geld für große Pfeifen

Als Lehrling bekam ich ganz wenig Geld. Man muss auch bedenken, es war ja noch vor der Währungsreform, da hatte das Geld praktisch keinen großen Wert. 1948 bekam ich als junger Gehilfe 28 Mark in der Woche, musste davon 15 Mark als Kostgeld an meine Tante abgeben. Da hatte ich noch so ungefähr 13 Mark für mich. Das war nicht viel.

Ich erinnere mich noch, ich habe gerne mal eine geraucht. Da habe ich bei meiner Pfeife den Kopf oben abgeschnitten, dass nur noch ein paar Krümel Tabak rein passten. Die konnte ich dampfen. Eine große Pfeife konnte ich mir nicht erlauben. Bei meinem geringen Verdienst war es schon schwer genug, davon etwas für Kleidung und andere Sachen zu erübrigen.

Ja, so war das als Lehrling und als junger Geselle. Aber ich bin Friseur geblieben und habe bis zum Ende meiner Berufszeit 54 Jahre gearbeitet. Vom 15. bis zum 69. Lebensjahr. Dann habe ich mein Geschäft an Frau Gohlisch abgegeben.

Ich habe es nie bereut, dass ich Friseur geworden sind, aber ich muss sagen, ich hatte auch gar keine andere Wahl zu der Zeit. 1945/1946 so unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg war man schon froh, überhaupt eine Stelle zu haben. Die Auswahl war da nicht so groß. Nein, bereut habe ich es nicht. Ich habe in meinem Berufsleben viele Menschen kennengelernt, habe viele Kunden bedienen dürfen und vielen jungen Leuten unser schönes Handwerk gelehrt.

Aber reich bin ich dabei nicht geworden. Ich glaube, als normaler Friseur wird man nicht reich. Die wenigen Friseure, das waren wahre Künstler. Auch ich habe mit Leuten zusammengearbeitet, denen konntest du einfach nicht das Wasser reichen. Aber die wären gerne mit mir nach Hause gegangen. Ja, so ist das im Leben.

Ich war kein Künstler, ich war guter Durchschnitt. Aber ich war auch ein guter Geschäftsmann. Und das war entscheidend. Wenn du 100 Mark verdienst, gibst davon 90 Mark aus und sagst, mit 10,00 Mark ist es auch wohl gut, das ist verkehrt. Du kannst wohl 5,00 Mark ausgeben, aber 95,00 Mark musst du im Geschäft lassen. Von wegen dein Auto hat eine kleine Schramme und sofort muss ein neues her. Das geht nicht. Du musst über lange Zeit das, was du einnimmst, wieder in dein Geschäft stecken. Da kannst du dir keinen großen Luxus erlauben. Und dann kommt es noch darauf an, ob du die richtige Frau dafür geheiratet hast. Wenn nicht, dann „Gute Nacht Marie!“

Ich werde oft gefragt, warum meine Kinder mein Geschäft nicht übernommen haben? Das ist eine gute Frage und gar nicht so einfach zu beantworten. Also meine Kinder waren alles Mädchen, ich hatte also keinen männlichen Nachfolger. Meine Frau hat immer darauf bestanden, dass unsere Mädchen einen Beruf erlernen sollten, der ihren Fähigkeiten und Wünschen, die sie haben, entspricht. Und da war kein Friseur dabei. Unsere Bärbel ist Gärtnerin und unsere Jutta Blumenfloristin geworden. Petra hat bei Stemmann gelernt. Später war sie bei Deilmann und ist dann zum Zoll gegangen. Und Antje, unser großer Schlauberger, ist zur Deutschen Bank gegangen. Danach hat sie ihr Abitur gemacht – das richtige Abitur, nicht das berufsbezogene – und anschließend studiert. Jetzt ist sie Pferdepsychologin.

Auf die richtige Frau kommt es an

Menschlich bleiben – auch bei der Arbeit

Zwei kleine Geschichten zum Schluss. Der Friseurberuf ist ein Beruf, der Menschen bedient. Aber Menschen sind ja nicht immer gesund, die sind ja auch mal krank oder zu schwach, um zu uns zu kommen. Wenn jemand zu mir kam und sagte, dass der Opa rasiert werden muss, aber es ihm nicht gut gehen würde, dann habe ich natürlich auch Hausbesuche gemacht.

Ich hatte mal einen Fall, da wurde ein Mädchen, die krank gewesen ist, aus dem Krankenhaus entlassen. Ich hatte aber in der Woche keine Zeit, also bin ich Sonntags morgens zu ihr hingegangen und habe die Haare gemacht. Geschnitten und ein bisschen geföhnt. Als ihr Vater mich fragte, was ich dafür bekomme, habe ich ihm geantwortet: „Gar nichts. Heute ist Sonntag, da wird nichts verdient. Wirf einfach etwas in den Klingelbeutel.“

Da war aber auch eine Frau, die hatte ein Haarteil bei mir bestellt. Als sie mich fragte, wie viel das Haarteil kosten würde, habe ich nachgeschaut: „So ungefähr 30 Mark“. Darauf antwortete sie mir: „Arno, dein Vater hat gesagt, das kostet über 200.“ Ich erwiderte: „Das gibt es ja gar nicht, das kostet 30 Mark.“ Ich weiß bis heute nicht, ob mein Vater wirklich gesagt hatte, dass das Haarteil 200 Mark kosten sollte. Es könnte aber schon stimmen. Er hatte mich nämlich gewarnt, dass diese Frau sowieso nicht bezahlen würde. Und so war es dann auch. Es ging schon auf Weihnachten zu, und sie blieb mir die 30 Mark immer noch schuldig. Da gab mir meine Frau eine Weihnachtskarte und sagte: „Du schreibst jetzt der Frau einen Weihnachtsgruß und wünscht ihr alles Gute. Und darunter: Der ausstehende Betrag von 30 Mark ist hiermit als Weihnachtsgeschenk anzusehen.“ Recht hatte sie. Was will man dem Geld hinterher laufen? Das hat keinen Zweck. Und so hat man noch ein gutes Gefühl dabei gehabt.

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